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Kirwa in der Oberpfalz

von Ursula Rubenbauer

Aus dem IKIB Newsletter Nr. 5 vom 8. Oktober 2004

Eigentlich könnte man diese Geschichte auch schon im April erzählen. Denn schon gleich nach Ostern feiern einige Dörfer in der nordbayrischen Oberpfalz Kirwa (zu hochdeutsch: Kirchweih), im November bilden andere das Schlusslicht. Dass ich ausgerechnet im Oktober vom lebendigsten Brauchtum meiner Heimat erzähle, kommt daher, dass am dritten Oktoberwochenende Allerweltskirwa ist - seit der bayrische König dem Treiben Einhalt gebieten wollte. Aber dazu später...

Wie der Name sagt, gedenkt man an diesem Fest des Tages, an dem die - natürlich katholische - Kirche des Dorfes eingeweiht wurde. Zur frommen Andacht kommen die feiernden Dorfbewohner aber wenig. Es wird stattdessen viel Bier getrunken, gelacht, gesungen und getanzt, drei Tage und Nächte lang. Einer der Höhepunkte ist am Kirwasamstag das Aufstellen des mit bunten Bändern geschmückten Kirwabaumes auf dem Dorfplatz. Für Kinder ist das immer das Aufregendste, wenn die Männer den spindeldürren 30-Meter-Baum in die Höhe hieven. Am Samstag abend ist Tanz, dafür gibt es in jedem oberpfälzischen Dorf einen geeigneten Kirwastadl. Sonntag früh geht's zur Messe, egal in welchem Zustand. Am Nachmittag kommt der große Auftritt der Kirwamoidln und Kirwaburschn. Sie tanzen in Dirndl und Lederhosen um den Kirwabaum bayrische Volkstänze mit Schuhplattl-Einlagen, was von vielen Gurzern und dem Applaus der Dorfbewohner begleitet wird. Immer wieder ertönt auch der Kirwaschlachtruf: "Wer haout Kirwa? Mir hom Kirwa! Wer haout Köichla? Mir hom Köichla! Wer haout Durscht? Mir hom Durscht!"

Aber zurück zu der Sache mit der Allerweltskirwa. So wie in der Oberpfalz war dieses ausgelassene Treiben früher in ganz Bayern verbreitet. Eigentlich war immer irgendwo Kirwa. Das bedeutete für die Dienstboten nicht nur einen freien Tag, sondern bei jedem Bauern eine frische Maß Bier und Brotzeit. Das häufte sich, und so erließ der König ein Gesetz, das alle Kirchweihen auf einen einzigen Tag zusammenlegte: auf den dritten Sonntag im Oktober. Die widerspenstigen Oberpfälzer verlegten ihre Kirwafeste aber bald wieder auf die ursprünglichen Tage zurück und feiern sich nun wieder von Kirwa zu Kirwa bis der Advent kommt. Die "Allerweltskirwa" hat ihre eigentliche Bedeutung zwar verloren, sie wird aber natürlich trotzdem mitgefeiert. Und in meinem Nachbardorf Krickelsdorf gibt es seit kurzem in der kalten Jahrezeit einen besonderen Trost: Die Winterkirwa am letzten Samstag im Dezember, mit Glühwein und allem, was das Warten auf die nächste Kirwasaison verkürzt...

Neugierig geworden? www.kirwa.net

Glossar:
Kirwa = Kirchweih
Kirwabursch = männlicher Jugendlicher, der sich an den Kirchweihtänzen beteiligt
Kirwamoidl = weibliche Jugendliche, die sich an den Kirchweihtänzen beteiligt
Kirwastadl = Große Festhalle im Dorf
Schuhplattl = Volkstanz, bei dem die Männer mit den Händen auf ihre Lederhose und  Schuhsohlen klatschen
Gurzer = schriller, lauter Jubelruf (etwa: tsjuuuchui!)
Wer haout Kirwa? = Wer hat Kirchweih?
Mir hom Kirwa! = Wir haben Kirchweih!
Wer haout Köichla? = Wer hat Küchlein? (typisches Gebäck)
Wer haout Durscht? = Wer hat Durst?
Brotzeit = Imbiss mit Brot, Wurst und Käse<


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